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Versicherungsvermittlung 2015: Partnerschaftliches Verhalten und Solidarität im Zeichen einer zunehmenden Regulierung des Marktes - Leitantrag des BVK-Präsidiums zur Jahreshauptversammlung 2015 in Rostock

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) begegnet der zunehmenden Regulierung des Marktes für Versicherungsvermittlung mit der klaren Forderung nach mehr partnerschaftlichem Verhalten und Solidarität zwischen der Versicherungswirtschaft und Versicherungsvermittlern, um zukünftig die Folgen der Marktregulierung für alle Beteiligten kundengerecht zu gestalten. Gleichzeitig fordert der BVK die Entscheidungsträger in der Politik auf, die Rahmenbedingungen für die Versicherungsbranche mit Augenmaß zu gestalten.
 
1. Beratungsbedarf und -qualität für Altersvorsorgeprodukte
 
Die anhaltende Niedrigzinsphase und die Einschnitte durch das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) werden negative Auswirkungen auf die private Rentensituation für viele Kunden zur Folge haben. Angesichts der Einbußen und rückläufiger Renditen ist die qualifizierte Beratung für private Altersvorsorgeprodukte für die Kunden nun wichtiger denn je. Die Versicherungsvermittler tragen mit ihrer qualifizierten Beratung und Vermittlung von Altersvorsorgeverträgen dazu bei, die Rentenlücken der Kunden zu schließen und spätere Altersarmut zu verhindern.
 
Das LVRG hat zum Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherung sicherzustellen und den Kunden auch zukünftig adäquate Leistungen aus diesem Produkt zu sichern. Um dies zu gewährleisten, müssen alle Beteiligten einen Beitrag leisten. Es gilt, das Produkt Lebensversicherung insgesamt zu stärken und die Folgen der Niedrigzinsphase für alle Beteiligten verträglich zu gestalten. Im Rahmen der weiteren Umsetzung des LVRG in den jeweiligen Unternehmen ist die Sicherstellung einer angemessenen und für einen funktionierenden Geschäftsbetrieb ausreichenden Vergütung der Vermittlerbetriebe ein hohes Gut, um auch in Zukunft die hohe Beratungsqualität für die Kunden zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang diskutierte neue Vergütungsmodelle müssen das Geschäftsmodell der Lebensversicherung nachhaltig sichern.
 
2. Der sozialpolitische Auftrag des Vermittlers
 
Der Ehrbare Versicherungskaufmann erfüllt mit der Absicherung der Lebensrisiken und insbesondere der Altersvorsorge seiner Kunden einen wichtigen sozialpolitischen Auftrag für den Wohlstand in unserer Volkswirtschaft. Nach seinem Selbstverständnis leistet er als Vermittler einen wichtigen Beitrag für die gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die Altersbezüge auch in Zukunft zu sichern.
 
Aus dieser Aufgabe erwächst ihm die Verpflichtung, sich aktiv in sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen gegenüber seinen Kunden, Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit zu positionieren. Er stellt so die Leistung und Bedeutung seines Berufsstandes für die Gesellschaft unter Beweis.
 
Wer die Axt an den Berufsstand der Versicherungsvermittler legt, gefährdet unmittelbar die Grundfesten des Sozialstaates.
 
3. Europäische Rahmenbedingungen
 
Der BVK fordert von den politischen Entscheidungsträgern in Brüssel und Berlin, mit Augenmaß bei der Reform der europäischen Vermittlerrichtlinie IDD (ehemals IMD II) und deren nationaler Umsetzung vorzugehen.
Die Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Europäischem Rat und Europäischem Parlament sollen bis Mitte 2015 zum Abschluss eines langen Meinungs- und Rechtssetzungsprozesses gebracht werden. Der BVK begrüßt die von ihm geforderte ausdrückliche Berücksichtigung und Gleichbehandlung aller Vertriebswege im Rahmen der IDD nach derzeitigem Stand, inklusive der Internetportale (siehe 7.).
 
Der BVK trat in der Vergangenheit immer wieder für eine Kostentransparenz bei Versicherungsverträgen ein, damit der Kunde erkennen kann, in welcher Höhe sein eingezahltes Kapital in die Anlage fließt. Allerdings wird eine obligatorische Offenlegung der Provisionen nach wie vor abgelehnt. Wir begrüßen die bisherige Ausklammerung einer obligatorischen Provisionsoffenlegung, an der im Rahmen der Reform unbedingt festgehalten werden muss. Die verpflichtende Offenlegung der Provision ist für den Verbraucher irreführend, da sie weder etwas über die Qualität der Beratung noch über die Qualität des Produktes aussagt.
 
Auch die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA sollte bei der geplanten zukünftigen Festlegung des Umfangs der Informationspflichten für Vermittler stets deren Praxistauglichkeit im Auge behalten. Der bürokratische Aufwand für Vermittler muss dabei auf ein vertretbares Maß beschränkt sein. Zusätzliche administrative Aufgaben für den Vermittler erhöhen die Kosten, ohne dem Verbraucher einen Zusatznutzen zu bieten.
 
4. Das Berufsbild des Vermittlers
 
Der bereits in den letzten Jahren erfolgreich eingeleitete Prozess, ein neues und zukunftsfähiges Berufsbild des Vermittlers in der Branche zu etablieren und glaubwürdig gegenüber der Politik und Gesellschaft zu vertreten, wird fortgeführt.
 
Der Ehrbare Versicherungskaufmann ist geprägt von seiner grundsätzlichen inneren Haltung und Einstellung. Sein Leitbild findet sich im vom BVK entwickelten zukunftsfähigen Berufsbild wieder.
 
Das vom BVK entwickelte Berufsbildmodell spiegelt das neue Grundverständnis der Angehörigen des Berufsstandes wider, das aus drei untrennbaren Komponenten besteht: 
  1. Bekenntnis zu den Tugenden des Ehrbaren Versicherungskaufmanns (VEVK e.V).
  2. Nachweisbare Qualifizierung der Vermittler über die vom BVK mitgegründete Brancheninitiative „gut beraten“.
  3. Positionierung des Vermittlers als selbständiger und eigenverantwortlicher Unternehmer.
Dieses Verantwortungsbewusstsein erwartet der Vermittler von heute auch von seinen Geschäftspartnern aus der Versicherungsbranche bei der Verhandlung von fairen Rahmenbedingungen und Konditionen auf Augenhöhe.
 
Die Zukunftsfähigkeit des Vermittlerberufs ist maßgeblich davon abhängig, dieses Berufsbild zu verinnerlichen und zu leben. Durch die Identifikation mit diesem Berufsbild werden unabdingbar das Ansehen und die Bedeutung des Berufsstandes wieder wachsen.
 
5. Verbraucherschutz
 
Die Versicherungsvermittler schützen als kompetente Dienstleister die Interessen der Kunden. Der Ehrbare Kaufmann berät seine Kunden fair und an deren individuellen Bedürfnissen ausgerichtet. Vertriebssteuerungen, die nicht diesen Zielen dienen, lehnt er ab und erteilt den Kunden vertrauensvollen und qualifizierten Rat unabhängig von einem unmittelbaren Geschäftsabschluss.
 
Aus dem Selbstverständnis seines Berufsbildes ist der Versicherungsvermittler stets verpflichtet, seine Kunden vor diversen Risiken im Leben zu schützen. Eine umfassende und am Wohle des Kunden ausgerichtete Absicherung ist dabei sein oberstes Ziel. Als selbständiger Unternehmer sichert der Vermittler die Verbraucherinteressen durch eine kundenorientierte Beratung und langfristige Begleitung. Für den Vermittler und seine Kunden ist dies eine „win-win-Situation“, die sich für beide Seiten auszahlt.
 
6. Zukunftsfähige Produkte
 
Um die Zukunftsfähigkeit der Produkte sicherzustellen und den Kunden auch zukünftig adäquate Leistungen zu sichern, müssen alle Beteiligten einen Beitrag leisten. Es gilt, die Folgen der Niedrigzinsphase für Kunden und Vermittler verträglich zu gestalten. Um dies zu ermöglichen, ist ein partnerschaftliches Verhalten aller Seiten notwendig. Die Versicherungswirtschaft muss zudem zukunftsfähige Produkte bereitstellen, da hiervon die gesamte Branche maßgeblich abhängig ist. Nur wenn alle Parteien an einem Strang ziehen, wird es gelingen, dass alle Beteiligten die Niedrigzinsphase möglichst unbeschadet überstehen. Der BVK setzt sich in diesem Zusammenhang für die Etablierung von Mindeststandards bei Versicherungsprodukten zusammen mit der Ratingagentur Franke und Bornberg im Privatbereich ein. Damit wird der BVK seiner aktiven Rolle im Verbraucherschutz im Interesse der qualifiziert beratenden Versicherungsvermittler gerecht.
 
7. Versicherungsvermittlung über Internetvergleichsportale
 
Veränderte Rahmenbedingungen in Form von neuen Technologien und sich stark wandelnden Informations- und Kaufgewohnheiten von Kunden erfordern auch veränderte Strategien der Vermittler. Durch die Versicherungsvermittlung über Internetvergleichsportale entstehen neue Herausforderungen, die es kritisch zu hinterfragen gilt.
 
Generell muss die Gleichbehandlung aller Vertriebswege am Markt („fair-level-playing-field“) stets gewährleistet sein. Internetportale, die Versicherungen vermitteln, müssen die gleichen Mindestanforderungen hinsichtlich Qualifikation, Beratung und Dokumentation erfüllen wie Versicherungsvermittler. Hierzu zählt auch die Durchführung einer Leistungs- und Bedarfs-analyse.
 
Internetvergleichsportale sollten transparente Informationen darlegen müssen hinsichtlich ihrer klaren Abgrenzung zwischen Tippgeber und Versicherungsvermittler. Ebenso müssen Vergleichsportale gegenüber dem Verbraucher Angaben machen zu ihrer Statusinformation, über ihr Geschäftsmodell sowie ihre kapitalmäßigen Verflechtungen (Besitzverhältnisse).
 
Prinzipiell sind viele Versicherungsprodukte besonders beratungsintensiv, wodurch der Versicherungsvertrieb durch Versicherungsvermittler auch nach wie vor unverzichtbar ist. Durch seine Qualifikation und Kompetenz kann der Versicherungsvermittler dem Kunden eine ganzheitliche Beratungsleistung für erklärungsbedürftige Versicherungsverträge bieten, die dem Kundenwunsch umfassend gerecht wird.
 
8. Provisionsabgabeverbot
 
Der BVK ist davon überzeugt, dass ein Wegfall des Provisionsabgabeverbotes zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten führen und vor allem diejenigen begünstigen würde, die wirtschaftlich stark sind und aus ihrer Position Druck auf eine Absenkung der Provisionen ausüben können. Benachteiligt würden hingegen wirtschaftlich schwächere Kunden.
 
Bei Wegfall des Provisionsabgabeverbotes wird die Entscheidung des Kunden, welches Produkt oder welches Versicherungsunternehmen er wählt, davon beeinflusst sein, wie und wo er die höchste Rabattierung erreicht und nicht von der Qualität des Versicherungsschutzes.
 
Der Fortfall des Provisionsabgabeverbotes und die damit verbundene Provisionsrabattierung würden bei den Vermittlern zu geringeren Einnahmen führen. Das bewährte Modell verbraucherfreundlicher und kundenorientierter Beratung und Vermittlung wäre grundsätzlich bedroht. Aufwand und Ertrag müssen in einem angemessenen Verhältnis bleiben.
 
Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen zudem, dass die aus der Aufweichung des Provisionsabgabeverbots resultierenden Branchenfehlentwicklungen dort bereits zu erheblichen Problemen geführt haben. Deshalb hat das Provisionsabgabeverbot nach wie vor eine wichtige Daseinsberechtigung. Im Übrigen hat sich die Provisions- und Courtagevergütung als sozialste Vergütungsform in Deutschland bewährt.
 
9. Fazit und Forderungen
 
Die Folgen der demografischen Entwicklung, der Niedrigzinsphase und der wachsenden Marktregulierung erfordern partnerschaftliches Verhalten und Solidarität von Versicherungswirtschaft und Versicherungsvermittlern. Nur so kann Schaden vom Verbraucher abgewendet werden. Den Wohlstand und den individuellen Nutzen des Verbrauchers zu schützen, ist das Selbstverständnis des Ehrbaren Versicherungskaufmanns. Der BVK fordert die Entscheidungsträger in der Politik auf, die Rahmenbedingungen für die Versicherungsbranche mit Augenmaß zu gestalten.
 
Aus dem Leitantrag 2015 leitet die Mitgliederversammlung folgende Forderungen ab:
 
  1. Der Bedarf an qualifizierter Beratung durch Ehrbare Versicherungskaufleute ist in Zeiten von Niedrigzinsen und LVRG größer denn je. Die unverzichtbare Leistung der Vermittler erfordert jedoch auch eine angemessene Vergütung!
  2. Vermittler können ihren sozialpolitischen Auftrag bei der Sicherung von Altersvorsorgebezügen ihrer Kunden nur erfüllen, wenn ihre Berufsgrundlagen nicht unverhältnismäßig beschränkt werden!
  3. Die Politik muss Augenmaß bei der Reform der europäischen Vermittlerrichtlinie (IDD) und deren nationaler Umsetzung walten lassen und den Vermittlern keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Hürden bei ihrer Arbeit in den Weg stellen!
  4. Mit der Verkörperung des neuen Berufsbildes erwartet der Vermittler auch von seinen Geschäftspartnern aus der Versicherungsbranche respektvolle und partnerschaftliche Verhandlungen auf Augenhöhe für faire Rahmenbedingungen und Konditionen!
  5. Vermittler praktizieren als ehrbare und qualifizierte Kaufleute bestmöglichen Verbraucherschutz. Eine weitergehende Regulierung des Gesetzgebers ist nicht erforderlich!
  6. Die Versicherungswirtschaft muss mit zukunftsfähigen Produkten zur adäquaten Sicherung der Interessen aller Beteiligten beitragen! Die vom BVK zusammen mit der Ratingagentur Franke und Bornberg entwickelten Mindeststandards bei Versicherungsprodukten geben die maßgeblichen Leitlinien vor.
  7. Der BVK erkennt die positiven Möglichkeiten der digitalen Vertriebsform für die Verbraucher. Gleichzeitig fordert der BVK jedoch auch die Gleichbehandlung aller Vertriebswege am Markt!
  8. Das Provisionsabgabeverbot muss bestehen bleiben, da sonst eine ruinöse Rabattschlacht ausgelöst wird, an deren Ende für alle Seiten nur Nachteile entstehen!
 
Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK
Rostock, den 21.05.2015